Ein Interview mit Holger vom Projekt 100% MENSCH - Teil 1

Ein Interview mit Holger vom Projekt 100% MENSCH - Teil 1

Gemeinsam Gutes tun!

Uns war von Anfang an klar: Wir möchten einen kleinen Teil unserer Einnahmen an eine gemeinnützige Organisation spenden, die sich für die LGBTQ+ Community einsetzt. Wir freuen uns, dass wir mit dem Projekt 100% MENSCH eine Organisation gefunden haben, die sich bereits seit vielen Jahren den Themen Aufklärung, Sichtbarkeit und Gleichberechtigung der queeren Community widmet. Und das mit sehr viel Engagement, Herzblut und Leidenschaft.

Diese sehr wertvolle Arbeit unterstützen wir gemeinsam, denn von jeder Bestellung geht 1€ an das Projekt 100% MENSCH!

Vor Kurzem haben wir mit Holger, dem Geschäftsführer und Gründer des Projekts, gesprochen. Was die Ziele vom Projekt 100% MENSCH sind, wie ein typischer Tag für Holger ausschaut und was seine Arbeit so wertvoll macht - das erfährst du im ersten Teil des Interviews mit Holger.

 

 

Hallo Holger! Wir freuen uns, dass wir uns heute endlich - wenn auch erst einmal auf virtuellem Wege - persönlich kennenlernen und du uns etwas über das Projekt 100% MENSCH erzählst. Natürlich erfährt man auch sehr viel über eure Arbeit auf eurer Internetseite, aber es ist toll, dass du uns aus deiner Perspektive ein paar Einblicke gibst. Fangen wir doch direkt an. Kurz und knackig:

Kannst du in einem Satz sagen, was das Hauptziel des Projekts 100% MENSCH ist?

Holger: „Wir fördern und fordern die vollständige rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung und Gleichberechtigung aller Menschen unabhängig ihrer sexuellen Orientierung, ihres Geschlechts, ihrer geschlechtlichen Identität, ihres Geschlechtsausdrucks, ihrer körperlichen Merkmale.“

Es gibt ein paar zentrale Wörter für die Arbeit des Projekt 100% MENSCH:
1. Die gesellschaftlichen Erwartungshaltungen – Wie können wir die ändern? Wie kommen wir dahin, dass die Gesellschaft nicht mehr nur eine schmale Erwartungshaltung hat, sondern eine breite?
2. Selbstbestimmung: Das generelle Ziel soll die Selbstbestimmung über die sexuelle Orientierung, über Geschlecht und Geschlechtsidentität, über Körper und körperliche Merkmale sein. Unser Ziel ist dabei, Menschen zur Selbstbestimmung zu befähigen. Da geht es auch um die Selbstbestimmung über die Form der Beziehung und der Familie.

BeeProud: Laut eurer Internetseite möchte das Projekt 100% MENSCH für Aufklärung, mehr Sichtbarkeit und Gleichberechtigung der queeren Community sorgen. Ob die Produktion von Liedern und Büchern, Workshops, Vorträge, Teilnahme an CSDs, die Kunstausstellung "WE ARE PART OF CULTURE", die Organisation des Trans* Pride Day in Stuttgart, Kooperationen mit Schulen, Behörden und Firmen, die Erstellung von Aufklärungs- und Bildungsmaterial zu queeren Themen - die Liste eurer Kampagnen ist super lang! Da stellt sich uns die Frage:

Wie sieht denn ein typischer Tag für dich aus, Holger?

Holger: Holger kommt ins Büro mit einer Liste von Dingen, die zu erledigen sind. Dann öffnet er sein E-Mail-Fach, das Telefon klingelt und am Ende des Tages hat er 3000 Sachen erledigt, die nicht auf der Liste standen, aber auch erledigt werden müssen. Die Arbeit beim Projekt 100% MENSCH ist tatsächlich eine Form von Jonglage, weil wir sehr viele Kampagnen gleichzeitig laufen haben. Es ist sehr sehr spannend und macht sehr viel Spaß, ist aber auch sehr anstrengend, diese ganzen Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten.

 - „Dadurch, dass man halt merkt, dass man an Dingen arbeitet, die einfach wichtig sind und man auch das Feedback bekommt, dass sie gebraucht werden, dass sie genutzt werden. Das ist einfach so umwerfend, so befriedigend, dass man den ganzen Stress und die viele Arbeit gerne in Kauf nimmt. Man macht eine besondere Arbeit. Eine Arbeit, die einem sehr viel gibt." -

Was genau macht deine Arbeit beim Projekt 100% MENSCH so wertvoll?

Holger: Es ist die Sinnhaftigkeit. Einfach dass man merkt, die Arbeit, die man macht, macht SINN. Sie hilft Menschen direkt.

Ok, spulen wir nochmal ein bisschen zurück: Wie und wann ist das Projekt 100% MENSCH eigentlich entstanden?

Holger: Es gibt zwei Gründungsdaten. 2014 ist das Lied „100% Mensch“ entstanden mit über 30 Künstler*innen aus ganz Deutschland. Das ist eingeschlagen wie eine Bombe und wir waren damit auf über 20 CSDs. Dort haben wir dann gemerkt, dass es Eindruck hinterlässt. Am Ende des Jahres war uns klar, es muss weiter gehen. Wir können jetzt nicht aufhören. 2015 haben wir dann die gemeinnützige UG gegründet und das ist dann das offizielle Gründungsjahr.

Und du bist auch seit Anfang an mit dabei, richtig?

Holger: Ja, ich bin Gründer des Ganzen. Ich habe davor schon sehr viele CSDs moderiert und der CSD Dresden hat mich dann gefragt, ob ich ein Lied schreiben könnte. Der Claim des CSD Dresden war damals „100% Mensch – ohne Wenn und Aber“. So kam das Ganze ins Rollen. 

Wenn du zurückblickst: Was war dein persönlich spannendstes Projekt oder emotionalstes Erlebnis während deiner Tätigkeit beim Projekt 100% MENSCH?

Holger: Eine Situation war z.B. als wir eine Mail bekommen haben, als wir gerade die Ausstellung WE ARE PART OF CULTURE  auf Bahnhofstour hatten. In dieser Mail stand in etwa: „Meine Tochter hat sich vor mir vor ein paar Wochen als lesbisch geoutet. Ich war jetzt in Ihrer Ausstellung und seitdem habe ich keine Angst mehr.“ Als die Mail kam, saßen wir mit diversen Leuten im Büro und wir bekamen alle Pippi in die Augen. Das war ein Gefühl von: Wir tun das RICHTIGE! Und wenn es nur diese eine Person ist, die aufgrund dieser Ausstellung keine Angst mehr um ihre Tochter hat, war es das schon wert. Solche Sachen oder Begegnungen hatten wir schon ein paar Mal.

Ein weiterer Moment war, als wir zum ersten Mal das Plakat für die WAPOC geliefert bekamen, wo alle 30 Persönlichkeiten drauf waren. Bis dahin kannten wir nur die einzelnen Portraits. Auf diesem Plakat waren alle abgebildet. Da wurde uns erst einmal bewusst, was wir da auf die Beine gestellt haben.

Sehr emotional war auch die Arbeit an dem Trans*-Kinderbuch "Das schönste Kleid der Welt". Ich habe den Text dazu geschrieben und der war rasend schnell fertig. Ich konnte einfach in einem Male alles runterschreiben, worüber ich mit trans* Menschen gesprochen habe – über Kindheitstraumata, Erlebnisse oder darüber, was sie sich gewünscht hätten. Ich war einfach so vollgestopft mit all diesen Geschichten und Erlebnissen. Als ich dann angefangen habe zu schreiben, floss es einfach nur aus mir heraus. Gleichzeitig habe ich gemerkt, was das auch mit mir gemacht hat. Das war ein extrem emotionaler Prozess.

Auch der erste Trans* Pride Day in Stuttgart war ziemlich spannend, weil wir gar nicht wussten, was uns erwartet bzw. wie viele tatsächlich kommen werden.

Sehr aufwühlend ist auch immer wieder der Transgender Day of Rememberance. Der Tag erinnert weltweit jedes Jahr am 20. November an diejenigen Menschen, die aus transfeindlichen Motiven ermordet wurden. Wir haben z.B. einen Film aus den Namen der weltweit ermordeten trans* Menschen gemacht, wo alle Namen durchlaufen. Der Film hat mal 20 Minuten gedauert, weil es 350 Namen waren. Das ist einfach so niederschmetternd. Es ist aber auch gleichzeitig sehr berührend zu sehen, wie die Community dann zusammenrückt.♡ 

 

 

Das war zunächst der erste Teil unseres Gesprächs mit Holger vom Projekt 100% MENSCH. Wir spüren in jedem einzelnen Satz die Leidenschaft, die hinter dem Projekt steckt. Für uns ist es unglaublich inspirierend und beeindruckend, mit wie viel Engagement sich die zwei festen und sehr viele ehrenamtliche Mitarbeiter*innen für Aufklärung, Sichtbarkeit und Gleichberechtigung der queeren Community einsetzen - trotz, dass sie auch mit sehr viel Gegenmeinungen kämpfen müssen. 

Was genau das bedeutet, warum die vielen unterschiedlichen Begrifflichkeiten rund um die LGBTQ+ Community wichtig sind und warum sich die heutige Generation mit anderen queeren Themen auseinandersetzt als die früheren Generationen - all das erfährst du im zweiten Teil des Interviews mit Holger vom Projekt 100% MENSCH.